Schonmal bei einem 300 Jahre alten Mord dabei gewesen?
Buchtipp: "The Wager: A Tale of Shipwreck, Mutiny and Murder"
"The Wager: A Tale of Shipwreck, Mutiny and Murder" (257 Seiten von David Grann, in 2023)
Ich beschwere mich immer mal wieder darüber, dass in Deutschland zu wenig gut erzählte Sachbücher gelesen werden – und es stattdessen oft um zugespitzte Thesen und ihre Gegenthesen geht, statt um gute Recherche, die zu tollen Erzählungen führt. Deshalb habe ich mich sehr gefreut, dass in den vergangenen Monaten „The Wager“ (oder auf deutsch „Der Untergang der Wager: Eine wahre Geschichte von Schiffbruch, Mord und Meuterei“) auf der deutschen Sachbuch-Bestenliste stand. Wenn schon kein deutscher Titel, dachte ich, so doch wenigstens die Übersetzung eines Buches von David Grann, einer der besten Sachbuchautoren, die wir derzeit haben auf der Welt. Sein Buch „Killers of the Flower Moon“ habe ich in Sachbuchliebe bereits vor einigen Wochen empfohlen, auch „The Lost City of Z“ hat mir sehr gefallen und „The White Darkness“ liegt schon auf dem Kindle bereit).
Zurück zu „The Wager“: Die Wager ist ein Schiff, das im Jahr 1740 von England aus aufbricht, um auf See in den Kampf gegen Spanien zu ziehen. Ein paar Monate später sinkt die Wager vor der Küste Südamerikas. Das ist nicht ungewöhnlich für die damalige Zeit. Was ungewöhnlich ist: Fast ein Jahr später erreicht eine Gruppe von Seefahrern den Heimathafen in England und beschreibt, wie sie sich gegen alle Widerstände retten konnten. Noch ungewöhnlicher: Ein paar Monate später kommt ein weiteres Boot mit Seefahrern der Wager an, die ebenfalls überlebt haben. Die wiederum werfen jedoch den Matrosen des ersten Bootes vor, dass sie Meuterer seien und ihre Kollegen im Stich gelassen hätten.
David Grann rekonstruiert die Reise, den Untergang, die Überlebenskämpfe der Matrosen, die Todesfälle und die wirklich unglaubliche Geschichte ihrer Rückkehr nach England im Detail. Und das, obwohl das Material, mit dem er arbeitet, fast 300 Jahre alt ist. Das Buch ist ein Meisterwerk. Und es erzählt einem nebenbei noch etwas über die damaligen Kämpfe der europäischen Kolonialmächte und über die Bedingungen auf den Schiffen im 18. Jahrhundert.
Wer „The Wager“ bereits gerne gelesen hat oder nach dieser Empfehlung gerne liest, dem empfehle ich die Mutter aller Schiffbruchs-Rekonstruktionen, das Buch „The Perfect Storm“ von Sebastian Junger. Auch hier rekonstruiert Junger den Untergang eines Schiffes. Was es leichter macht: Der Untergang ist erst wenige Jahrzehnte her. Was es schwerer macht: Niemand hat überlebt. Trotzdem fühlt man sich bei der Lektüre, als wäre man während des Sturms mit an Bord. Ich war nach der Lektüre vor einigen Jahren besessen von diesem Buch, daher: große Empfehlung.
Im Frühjahr habe ich selbst ein narrativ erzähltes Sachbuch veröffentlicht, gemeinsam mit Lena Kampf: „Row Zero: Gewalt und Machtmissbrauch in der Musikindustrie“. Wer diesen Newsletter und meine Arbeit unterstützen möchte, der kann das Buch (am besten im lokalen Buchhandel) bestellen.
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Vielen Dank, viel Spaß beim Lesen und auf bald
Daniel