Wie große Kanzleien die Justiz korrumpieren
Buchtipp: „Servants of the Damned: Giant Law Firms, Donald Trump, and the Corruption of Justice“
„Servants of the Damned: Giant Law Firms, Donald Trump, and the Corruption of Justice“ (341 Seiten, von David Enrich in 2022)
Lange Jahre war die Firma Jones Day, vor 130 Jahren in Cleveland gegründet, ein solider, kleiner Dienstleister. Heute ist sie eine der größten und profitabelsten Anwaltskanzleien in den USA und der ganzen Welt – mit 2500 Angestellten, zwei Milliarden Dollar Jahresumsatz und drei von mehr als 30 Standorten auch in Frankfurt, München und Düsseldorf.
Wie ist Jones Day so sehr gewachsen? Was sagt das über unser Justizsystem, über die Rolle von Anwält*innen, über Gerechtigkeit und gleiche Chancen vor den Gerichten aus? Diese Fragen versucht New York Times-Reporter David Enrich, einer der besten Wirtschaftsjournalisten der USA, in „Servants of the Damned“ zu beantworten.
Enrich nimmt Jones Day dabei als Beispiel für die ganze Branche. Er erzählt den Aufstieg der Kanzlei und versucht nachzuzeichnen wie sie – seiner Ansicht nach – vom Weg abgekommen ist. Wie es schließlich immer mehr um Geld statt um Gerechtigkeit ging.
Enrich zeigt, wie sich die Branche vor allem in den USA verändert hat und identifiziert für diesen Wandel zwei spezifische Kipppunkte. Wichtig seien erstens die Entscheidung des obersten US-Gerichtes gewesen, Anwält*innen seit 1970 zu erlauben, für sich zu werben und ihre Kanzleien wie Wirtschaftsunternehmen zu führen. Und zweitens das Magazin „American Lawyer“, das Ende der 1970er Jahre begann, über die Kanzleien wie über Sportvereine zu berichten, mit Erfolgsmeldungen, einem Transfermarkt und Gehaltstabellen.
Diese zwei Entwicklungen hätten die Industrie entfesselt. Ein Wettkampf habe sich entwickelt: Um bessere Anwält*innen, lukrativere Aufträge, Prestige und Macht.
„The more firms hired, the more their costs went up, which meant revenue was needed. The simplest solution was to take on new clients or cases. It was not a coincidence that, just as Jones Day was starting out in what would become an international gold rush, it cast its lot with an increasingly risqué roster of clients, including Big Tobacco.“
Jones Day vertritt die Firmen und Organisationen, die eigentlich niemand mit gutem Gewissen vertreten will. Die Hersteller von Oxycontin (Tipp für ein herausragendes Buch dazu: „Empire of Pain“ von Patrick Radden Keefe), die Zigarettenindustrie, Big Pharma. Und engagiert sich schließlich auch für Donald Trump, wird politisch und immer kontroverser. David Enrich blättert diese Entwicklung detailliert auf und erzählt die Geschichte sehr nah an ihren Protagonist*innen.
Ich bin großer Fan von David Enrichs Arbeit. Vor „Servants of the Damned“ hat Enrich zwei weitere Bücher geschrieben: „Dark Towers: Deutsche Bank, Donald Trump, and an Epic Trail of Destruction“ und „The Spider Network: The Wild Story of a Math Genius, a Gang of Backstabbing Bankers, and One of the Greatest Scams in Financial History“. Beide Bücher sind großartig, im Zweifel würde ich zunächst „The Spider Network“ empfehlen.
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Vielen Dank, viel Spaß beim Lesen und auf bald
Daniel
(PS: Hier findet Ihr nochmal ein paar Worte über die Idee dieses Newsletters und was Euch in den kommenden Ausgaben erwarten wird.)