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Undercover in Deutschland: Das Vermächtnis des Günter Wallraff
Buchtipp: „Im Einsatz für Aufklärung und Menschlichkeit: Existenzielle Erfahrungen und Ermittlungen“
„Im Einsatz für Aufklärung und Menschlichkeit: Existenzielle Erfahrungen und Ermittlungen“ (268 Seiten, von Günter Wallraff in 2022)
Günter Wallraff ist eine Legende im investigativen Journalismus in Deutschland. Seit 60 Jahren deckt er mit seinen Undercover-Recherchen und Sozialreportagen Missstände auf. Er war Hans Esser bei der Bild und veröffentlichte dazu sein Buch „Der Aufmacher“, er arbeitete in einer Autofabrik, in einer Werft, in einem Stahlwerk, bei McDonalds oder Thyssen, in einem Callcenter, in einer Brotfabrik, als Portier, als Mönch und als Paketbote.
Er ließ sich als Alkoholiker in die Psychiatrie einweisen, nahm an klinischen Studien der Pharma-Industrie teil, lebte obdachlos und tat so, als wolle er den USA Napalm verkaufen. Als Türke Ali arbeitete er zwei Jahre undercover und schrieb danach „Ganz unten“, das sich vier Millionen mal verkaufte und bis heute als eines der meistverkauften deutschen Sachbücher gilt.
Gemeinsam mit Karl-Heinz Göttert hat Wallraff für Reclam im vergangenen Jahr noch einmal beispielhaft eine Reihe von Recherchen von 1963 bis heute ausgewählt. Von seiner Zeit als Kriegsdienstverweigerer, über die Arbeit in der deutschen Industrie und die bekannten Recherchen bei der Bild und als Türke Ali, bis hin zu neueren Recherchen wie etwa seiner Zeit im Callcenter, die er für das Zeit Magazin aufgeschrieben hat.
Das Buch ist normalerweise keines, das ich hier empfehlen würde, weil es eine Sammlung von Reportagen ist, kein durcherzähltes Sachbuch. Aber ich fand das Buch sehr spannend, als ich es in den vergangenen Tagen in Vorbereitung auf eine Laudatio auf Günter Wallraff gelesen habe – weil es einen Einblick gibt in die frühe Bundesrepublik und weil es ein Gefühl für die Entwicklung auch von Journalismus und Sprache ermöglicht Und auch, weil es inspiriert.
Gestern ist Günter Wallraff für sein Lebenswerk ausgezeichnet worden, bei der Feier zu den „Journalist*innen des Jahres“ des medium magazin. Die Laudatio, die ich dafür auf Günter Wallraff gehalten habe, könnt Ihr in meinem anderen Newsletter „Daniels Recherchebrief“ lesen, den Ihr hier abonnieren könnt.
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Vielen Dank, viel Spaß beim Lesen und auf bald
Daniel
(PS: Hier findet Ihr nochmal ein paar Worte über die Idee dieses Newsletters und was Euch in den kommenden Ausgaben erwarten wird.)