So arbeitet eine Reporterin zu #MeToo und Machtmissbrauch
Buchtipp: "Missbrauch, Macht & Medien: Was #MeToo in Deutschland verändert hat"
„Missbrauch, Macht & Medien: Was #MeToo in Deutschland verändert hat“ (272 Seiten, von Juliane Löffler, in 2024)
Mit kaum etwas habe ich mich in den vergangenen Jahren so intensiv beschäftigt, wie mit dem Thema dieses Buches – und mit kaum jemandem habe ich in den vergangenen Jahren so intensiv gearbeitet, wie mit der Autorin. Juliane Löffler war fünf Jahre lang Reporterin bei BuzzFeed News Deutschland und ich war ihr Chefredakteur. Wir saßen jahrelang täglich in einem Büro und ich habe viele der im Buch von ihr beschriebenen Recherchen begleitet oder betreut – deshalb kann ich dieses Buch so uneingeschränkt empfehlen wie wohl noch keines zuvor (also, außer meinem eigenen Buch vielleicht…).
In „Missbrauch, Macht & Medien“ blickt Jule auf die vergangenen Jahre zurück, auf die Debatten, die wir international, aber vor allem auch in Deutschland zu Machtmissbrauch geführt haben. Sie spricht mit denjenigen, die diese Debatten geführt und vorangetrieben haben, sie führt Argumente, Erlebnisse und Entwicklungen zusammen, sie beschreibt den Backlash der vergangenen Jahre – vor allem aber gibt sie sehr tiefe, detaillierte Einblicke in die Arbeit von investigativen Reporter*innen.
Jule erklärt in ihrem Buch den Journalismus hinter großen #MeToo-Recherchen, hinter Recherchen zu Reichelt und Rammstein, aber auch zu Recherchen über Ärzte oder Professoren. Und sie erklärt, was die öffentlichen Diskussionen rund um das Thema mit Menschen machen, die selbst betroffen sind. Sie zeigt, wie unmöglich es für Betroffene ist, die Erwartungen der Öffentlichkeit an ein „perfektes Opfer“ zu erfüllen – und was das für die öffentliche Diskussion und die journalistische Berichterstattung bedeutet. Jule erklärt auch detailliert, welche Hürden es bei solchen Recherchen für uns Journalist*innen gibt und wie sich die rechtlichen Rahmenbedingungen entwickeln. Und sie hat für das Buch das überhaupt erste Interview mit Kayla Shyx nach ihrem Rammstein-Video geführt.
Ich habe Jule bei BuzzFeed News als sehr hartnäckige, sehr genaue Rechercheurin erlebt. Und ich habe sie als jemanden erlebt, die für sich, ihre Quellen und ihre journalistischen Werte einsteht – auch wenn sie sich dafür gegen harte externe Kritik oder die eigenen Chefs behaupten muss. Ich habe mich sehr gefreut, dass Jule dieses Buch geschrieben hat und empfehle es gern (auch wenn es kein klassisches „narratives Sachbuch“ ist, wie ich sie sonst hier im Newsletter empfehle).
Wer mehr über die Arbeit als investigative*r Reporter*in erfahren möchte, dem empfehle ich – neben vielen anderen – die Bücher “She Said” von Jodi Kantor und Megan Twohey und “Bad Blood” von John Carreyrou.
Vergangenes Jahr habe ich selbst ein narrativ erzähltes Sachbuch über Machtmissbrauch und MeToo veröffentlicht, gemeinsam mit Lena Kampf: „Row Zero: Gewalt und Machtmissbrauch in der Musikindustrie“. Wer diesen Newsletter und meine Arbeit unterstützen möchte, der kann das Buch (am besten im lokalen Buchhandel) bestellen.
Diskutiert gerne mit mir in den Kommentaren oder in den sozialen Medien über die Bücher – oder empfehlt mir weitere, die ich auf die Liste nehmen sollte. Falls Euch „Sachbuchliebe“ gefällt, leitet diesen Beitrag gerne an Freund*innen, Kolleg*innen und Verwandte weiter oder teilt ihn in den sozialen Medien.
Vielen Dank, viel Spaß beim Lesen und auf bald
Daniel