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Säulen unserer Gesellschaft und trotzdem verachtet
Buchtipp: „Dirty Work: Essential Jobs And The Hidden Toll of Inequality in America“
„Dirty Work: Essential Jobs And The Hidden Toll of Inequality in America“ (327 Seiten, von Eyal Press in 2021)
Menschen in Gefängnissen oder forensischen Kliniken bewachen, Kampfdrohnen steuern, massenhaft Tiere töten – das alles sind Jobs, die kaum jemand machen möchte. Und die im Gegensatz zu Jobs etwa in der Pflege, in Kitas oder auf dem Bau nicht nur körperlich hart und oft schlecht bezahlt sind, sondern auch noch als ethisch fragwürdig gelten und die Arbeiter*innen mit Scham und inneren Kämpfen überfrachten. Die sie dreckig zurücklassen.
Moralische Verletzungen nennt Autor Eyal Press die Spuren, die eine solche Arbeit neben den körperlichen Problemen und psychischen Krankheiten wie Trauma-Störungen hinterlässt. Moralische Verletzungen, mit denen manche Menschen ein Leben lang zu tun haben. Weil sie in Situationen gebracht werden, in denen sie zum Teil nicht selbst entscheiden können, ob sie das, was sie da gerade tun, überhaupt tun möchten und mit sich und den Ansprüchen an die eigene Person vereinbaren können. Oft werden solche „Dirty Jobs“ von Menschen erledigt, die ohnehin benachteiligt sind und keine anderen Jobs finden.
“The geography of dirty work both mirrored and reinforced race and class inequality, ensuring that stigmatized industries and stigmatized institutions were situated in less affluent parts of the country“, schreibt Eyal Press.
Für sein Buch hat Press mit zahlreichen Betroffenen aus insgesamt fünf Berufsfeldern gesprochen, hat die entsprechenden Orte besucht, an denen die dreckige Arbeit erledigt wird und sich viele Gedanken dazu gemacht, was diese Arbeit mit den Menschen macht.
“It didn’t just stain and tarnish the lives of individual workers. It tarnished whole families and communities, lingering in the minds and memories of the people with whom dirty workers interacted and shared their lives. The dirty work of caging human beings in crowded, violent prisons affected not only corrections officers but also their spouses and children. The dirty work of staring at screens on which human beings were blown to pieces by Hellfire missiles made it difficult for some drone operators to feel much when learning that members of their own extended families had died.”
Häufig werden die Arbeiter*innen verurteilt dafür, etwa dass sie Tiere töten oder Kampfdrohnen fliegen. Press fragt sich, ob die ethisch-moralische Verantwortung nicht viel mehr an anderer Stelle liegt, bei uns Konsument*innen und Wähler*innen, nicht bei denen, die diese Jobs für uns durchführen, weil sie sich und ihre Familien am Leben halten müssen.
“When I worked offshore, I thought all our accidents were cause by us“, she said. It was the same message dirty workers in prisons and slaughterhouses received: if a problem existed, it was their personal fault. What mattered far more, Espinoza-Gala had come to believe, was “process safety”, a product of choices made long beforehand – cutting costs, rushing projects – that made the entire system unsafe.”
Das Buch ist an den konkreten Beispielen und Betroffenen entlang gut erzählt und trotz des Fokusses auf die USA gut nachvollziehbar. Ich hätte es an der ein oder anderen Stelle etwas kürzer gehalten. Gerade durch den Blickpunkt auf die moralischen Schäden solcher Arbeitsbedingungen habe ich aber nochmal eine ganze Menge neuer Gedanke mitgenommen.
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Vielen Dank, viel Spaß beim Lesen und auf bald
Daniel
(PS: Hier findet Ihr nochmal ein paar Worte über die Idee dieses Newsletters und was Euch in den kommenden Ausgaben erwarten wird.)