Diese Radsport-Bücher solltet Ihr lesen
Buchtipps für alle, die – wie ich – nach der Tour de France noch mehr brauchen
Vor einer Woche habe ich versucht, dem besten Radsportler der Welt die Stirn zu bieten. Ich bin einen Schlussanstieg der Tour de France gefahren, auf das Plateau de Beille, einen Tag, bevor die Profis kamen. Das mit dem Stirn bieten hat nicht ganz geklappt, ich habe für die 16 Kilometer bergauf eine gute Stunde länger gebraucht als Tadej Pogačar, der Dominator der diesjährigen Tour de France, am Tag danach. Meiner wieder aufgeflammten Liebe für den Radsport haben diese paar Tage mit Freunden in Südfrankreich, auf dem Rad und am Streckenrand, trotzdem geholfen. Genauso übrigens wie die wunderbar heroisierende Netflix-Serie über die Tour de France, deren beiden Staffeln ich in den vergangenen Wochen weggesuchtet habe.
Für die kleine Reise in die Pyrenäen hatte ich mir die neue Autobiographie von Jan Ullrich mitgenommen (Jan Ullrich: Himmel, Hölle und zurück ins Leben) – und wurde leider enttäuscht. Das Format mit 20 kurzen Anekdoten und den Lehren, die er aus diesen Erlebnissen zieht, macht das Buch meiner Ansicht unnötig holprig zu lesen. Leider ist es an entscheidenden Stellen oberflächlich. Es wiederholt sich häufig. Es ist alles in allem leider ziemlich lieblos gemacht. Wer nochmal etwas zu Ullrich wissen will, dem empfehle ich stattdessen die aufwändige ARD-Dokuserie vom vergangenen Jahr: Being Jan Ullrich.
Deshalb habe ich mir gedacht, mache ich aus meiner Enttäuschung etwas Positives und suche Euch zum Ende der Tour ein paar Radsportbücher zusammen, die ich vor ein paar Jahren – bevor meine Radsportliebe für einige Zeit etwas eingeschlafen war – sehr gerne gelesen habe.
„Post aus Alpe d’Huez: Ein Radsportleben in Briefen“ – von Peter Winnen
Diese großartigen Memoiren des Ex-Radprofis Peter Winnen nehmen die Leser*innen mit in den Alltag des Pelotons. In tiefen, wundervoll geschriebenen Briefen beschreibt Winnen Training, Leben, Rennen, Gefühle, Niederlagen und Erfolge und vor allem alles dazwischen. Das Buch ist rund 20 Jahre alt, aber vermittelt trotzdem ein Gefühl dafür, was es bedeutet, mit dem Radfahren sein Geld zu verdienen.
Winnen hat selbst zwei mal den legendären Anstieg nach „Alpe d’Huez“ als Erster bezwungen und hat dann, 1999, wenige Jahre nach seinem Karriereende als einer der ersten Profis überhaupt offen über systematisches Doping in seinen Teams gesprochen. Später hat er als Autor für verschiedene Medien gearbeitet. Sein zweites Buch „Gute Beine, schlechte Beine“ ist eine Sammlung von Reportagen und Essays und ebenfalls sehr empfehlenswert.
„Raubeine rasiert: Bekenntnisse eines Domestiken“ – von Paul Kimmage
Die schwierigen Seiten des Radsports, die Kämpfe, den Druck, das Doping, das macht auch der ehemalige Radprofi Paul Kimmage in seinem Buch transparent (im englischen natürlich viel schöner als „Rough Ride: Behind the Wheel With a Pro Cyclist“). Das Buch ist gnadenlos ehrlich, großartig geschrieben – und hat ihn zum Nestbeschmutzer gemacht. Bis heute sprechen Radsportler seiner Generation schlecht über ihn. Auch Kimmage ist nach seiner Karriere Journalist geworden und hat zahlreiche starke Interviews mit Sportlern geführt. Einige davon sind in dem Band „Talk Don’t Run: Sportstars im Kreuzverhör“ erschienen.
„Das Rennen“ – von Tim Krabbé
Empfehlen möchte ich ausnahmsweise auch ein fiktionales Buch: den kurzen Roman „Das Rennen“ von Tim Krabbé. Krabbé beschreibt ein 137 Kilometer langes Radrennen und verwebt die Kämpfe auf der Strecke mit historischen Ereignissen der Tour de France und seinen eigenen Erfahrungen auf dem Rad. Ich habe das Buch vor rund 20 Jahren gelesen, als ich selbst noch deutlich mehr Sport gemacht habe. Damals ich habe mich sehr gesehen gefühlt in den beschriebenen Leiden, in den Kämpfen und Streitgesprächen, die man im eigenen Kopf mit sich selbst austrägt während einer solchen Tortur. Jetzt, nach der aktuellen Tour, wollte ich es so gerne noch einmal lesen, dass ich es mir gestern neu bestellt habe – weil ich meine alte Ausgabe nicht mehr gefunden habe.
Bonus: Die Bücher von Daniel Coyle. Ich selbst habe es nicht gelesen, aber das Buch, das der Autor Daniel Coyle mit dem Ex-Radprofi Tyler Hamilton geschrieben hat („Die Radsportmafia und ihre schmutzigen Geschäfte“) hat mir ein guter Freund empfohlen, den ich für diesen Newsletter um Tipps gebeten habe. Es soll eines der besten Bücher sein, die man zum Radsport lesen kann. Weil Armstrongs Teamkollege Hamilton darin vor mehr als einem Jahrzehnt erstmals bis ins Detail die Dopingpraktiken um Armstrong beschrieb. Und weil Autor Daniel Coyle einfach stark erzählt. Auch Coyles anderen Bücher wurden mir immer wieder empfohlen.
Vor einigen Wochen habe ich selbst ein Buch veröffentlicht, gemeinsam mit Lena Kampf: „Row Zero: Gewalt und Machtmissbrauch in der Musikindustrie“. Wer diesen Newsletter und meine Arbeit unterstützen möchte, der kann das Buch (am besten im lokalen Buchhandel) vorbestellen.
Was sind Eure liebsten (Rad-)Sportbücher? Diskutiert gerne mit mir in den Kommentaren oder in den sozialen Medien. Falls Euch „Sachbuchliebe“ gefällt, leitet diesen Beitrag gerne an Freund*innen, Kolleg*innen und Verwandte weiter oder teilt ihn in den sozialen Medien.
Vielen Dank, viel Spaß beim Lesen und auf bald
Daniel
Das Buch „Domestik“ von Charly Wegelius zeigt den Sport aus einer anderen, unromantischen Sicht - sehr lesenswert & interessant.
Ich habe noch kein Buch über den Radsport gelesen, bin aber seit dem ich letztes Jahr die Netflix-Doku gesehen habe, fasziniert von der Tour de France. Hinzu kommt auch, dass mein Partner Rennrad fährt, somit ist dieses Thema auch etwas in unserem Alltag präsent. Dieses Jahr haben wir jeden Abend die Highlight-Zusammenfassung auf dem Tour de France YouTube Channel gesehen, die ich persönlich wirklich gut gemacht fand. Ansonsten gab es kürzlich noch in dem Nachtcafé Podcast ein Interview mit dem ehemaligen Rennradfahrer Dominik Nerz über Magersucht im Radsport. Das war auch ziemlich interessant und hat zum Nachdenken angeregt.